Die Bertelsmann-Stiftung wurde umbenannt. Sie heißt jetzt Virginia Jetzt! und macht Platten mit Liedern wie “Dieses Ende wird ein Anfang sein”. Und die gehen so:
Schon wieder mal am Boden,
wieder ausgetrickst, belogen,
reingelegt und raffiniert
an der Nase rumgeführt.
Ich hatte gerade erst begonn’
auf die Beine zu komm.
Diesmal gebe ich auf
vorerst habt ihr gewonn’
So weit, so schlecht gereimt (besonders raffiniert: “begonn” – “komm” – “gewonn”). Warum am Boden? Wer hat dich ausgetrickst? Warum gibst Du auf? Wer hat gewonnen?
Aber glaub’ mir,
dieses Ende wird ein Anfang sein!
Wir werden ganz von vorn beginn’!
Dieses Ende wird ein Anfang sein!
Wer immer verliert, muss irgendwann gewinn’.
Optimisten also: irgendwann muss es auch mal wieder besser werden? Wo leben die?
Die da oben – Ich hier unten.
Wie haben die mich bloß gefunden?
Rumgeschubst und klein gemacht
und schlussendlich ausgelacht.
Sie waren ständig überlegen.
Es heißt, man muss sich dennoch wehren.
Ich war immer dafür -
diesmal bin ich dagegen!
Wieso haben sie dich gefunden? Wo warst du? Und wenn “die da oben” dich “hier unten” gefunden haben: Wer sind die da oben? Und müssen dich “die da oben” suchen? Funktioniert Kapitalismus nicht so, dass du dich ihnen auch noch andienen musst? Um deinen Lohn zu ‘verdienen’ oder dich für Hartz IV klein zu machen? Wer hat dich ausgelacht? So wichtig bist du denen “da oben” nicht. Wehren ist gut, jetzt bist du also dagegen – klasse, dagegen sein, das ist mal ne Haltung. Herzliche Grüße nach Reinhardtsdorf-Schöna.
Aber glaub’ mir,
dieses Ende wird ein Anfang sein!
Wir werden ganz von vorn beginn’!
Dieses Ende wird ein Anfang sein!
Wer immer verliert, muss irgendwann gewinn’.
Wolltest du dich nicht wehren? Wird schon alles wieder, oder? Muss dir nur scheiße genug gehen? Dann kann’s ja nur noch oben gehen?
Ich war meistens viel zu ehrlich,
aber ehrlich ist gefährlich.
Dieses Land ist nicht gebaut,
für eine grundehrliche Haut.
Solang die fiesen Hunde bellen,
gehen alle in die Knie -
aufgeben wollte ich nie!
Doch jetzt werd ich gestellt…
Ach so, alles Schlampen außer Mutti? Der Ehrliche ist der Dumme? Und jetzt kriegen sie dich? Wer? Warum? Wofür?
Also glaub’ mir…
Ja glaub’ mir,
dieses Ende wird ein Anfang sein!
Wir werden ganz von vorn beginn’!
Dieses Ende wird ein Anfang sein!
Wer immer verliert, muss irgendwann gewinn’.
Was auch immer passiert, es wird schon wieder aufwärts gehen. Nicht, dass du dafür was tun musst, nein, wenn sie dir noch mehr wegnehmen, du arbeitslos wirst, dein Hartz IV gekürzt wird, du gar nichts mehr hast – das ist nur die Voraussetzung dafür, dass es irgendwann wieder aufwärts geht. “Dieses Ende wird ein Anfang sein!”.
Dieses Lied wird ein Hit sein. Es passt einfach zu gut in diese Zeit, wirkt wie der Soundtrack zum CDU-FDP-SPD-GRÜNE-Wahlkampf. Du schaffst es schon, du musst nur wollen. Wird alles schon wieder. Wenns nicht mehr schlechter werden kann, kann es nur noch besser werden.
Musikalisch bewegt sich Virginia Jetzt! auf dem gleichen Niveau. Eine super uninteressante, hundert Mal gehörte Melodie, schleimige Geigen untermalen sie – ich will es nicht mal mehr aufschreiben, dann müsste ich mich ja dran erinnern. Zum Erfolg gehört aber auch, dass Text wie Melodie genau das richtige Maß an Überraschung haben. Der Text klingt aufrührerisch, erweist sich bei genauerem Hinhören aber als eine Ansammlung neoliberaler Überzeugungen, die uns gerade vom gemeinsamen Kampf um unsere Rechte abhält. Und die Melodie ist genau in dem Maß überraschend, dass sie uns zwar bekannt vorkommt, aber eben nicht schon mal wie hundert Mal gehört erscheint.
Das ist nicht Dummheit in der Musik im ökonomischen Sinn – ganz im Gegenteil – sondern im Eislerschen Sinn: Sie fordert uns nicht, sondern sie bestätigt uns in unserer Unwissenheit, in unseren Vorurteilen, und hilft, uns darin gefangen zu halten.
Text zitiert nach golyr.
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